Drei unterschiedliche Leute - eine Meinung. Und diese umfaßt das Verständnis für spektakuläre, in dieser Hinsicht einzigartige Sounds jenseits von Kommerz und marketingorientiertem Denken. Drei Musiker - ein Ziel. Jenes liegt in der Auslotung der zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten mit der Maßgabe der Erlangung musikalischer Erleuchtung, welche die wahrhafte nach sich zieht. SUNYA BEAT, `die letzte Erleuchtung` (sanskrit) der Name ist Programm, welchem sich Steve Baltes (keyboards, programing), Harald Grosskopf (drums, percussion) sowie Axel Manrico Heilhecker (guitars) seit ihrer Gründung kontinuierlich widmeten. Seit dieser erschienen mit "Sunya Beat" sowie "Delhi Slide" zwei Alben, die alle von dem Projekt gestellten Kriterien in der Verquickung von Trance mit Rock und ethnischer Musik zur Zufriedenheit aller hier Beteiligten erfüllten sowie des weiteren mit "4x3" ein unter den Namen der hier involvierten Musiker laufendes Werk, in dem der hier offerierte, nicht ganz SUNYA BEAT-kompatible Sound bis auf den Tranceaspekt tranchiert wurde.


Dabei sind die hier agierenden Musiker in der musikalischen Landschaft unseres Landes keine Unbekannten, waren oder sind sie noch in namhaften Projekten involviert sowie zierten ihre Namen so manches Solo-Album. Steve Baltes, vom Dance kommend, sorgte in der letzten Zeit bei Institutionen wie Ashra, N-Tribe, Holo Syndrom sowie Das Zeichen für Aufsehen. Harald Grosskopf war schon seit den 70ern in Manuel Göttschings Ashra integriert, trommelte für Wallenstein, die Kosmischen Kuriere und Klaus Schulze und spielt heute neben Sunya Beat bei Phonoroid und N-Tribe- Axel Manrico Heilhecker schließlich machte sich in den 80er als Gitarrist bei Wolf Maahn einen Namen, begann später seine Solokarriere (soeben erschien sein Solo-Album "Fishmoon") und ist heute Gitarrist bei der Zerlett Band, Phonoroid und eben Sunya Beat, wobei eine Reihe unterschiedlicher Produktionen ebenfalls auf sein Konto gehen.
SUNYA BEAT spielten, schon längst Tradition, auch auf dem diesjährigen Berg Herzberg Festival. So konnte man die Gelegenheit nutzen, gleich alle drei Musiker zu einem gemeinsamen Interview zu verpflichten.


Schellackgeschrei: Vor kurzem erschien bei Manikin'-Records mit "4x3" eine Veröffentlichung von euch unter dem Namen Baltesl Grosskopf | Heilhecker, einer Konstellation, die auch zu einhundert Prozent Sunya Beat ausmacht. Wieso diese Abspaltung vom Grundkonzept?
Axel: Wie spielen schon ziemlich lange zusammen und auf dieser ganzen Zeitreise haben wir auch unterschiedliche Dinge gemacht. Da wir diese Sachen auch immer aufnehmen gibt es ziemlich viele Relikte. Diese Sachen haben uns eigentlich immer ganz gut gefallen, obwohl wir sie eben nicht für Sunya Beat verwenden konnten. Denn Sunya Beat war ursprünglich ein Projekt von Harald und mir, in welchem wir mehr mit akustischen und ethnischen Elementen arbeiten wollten. Aber die zweite CD viel dann aus diesem Rahmen, war mehr improvisiert, weil hier nun Steve mit dabei war. Diese Stücke, die wir jetzt unter unserem eigenen Namen herausgebracht haben, fallen in dieser Hinsicht natürlich etwas aus dem Rahmen, da ein Ambient-Stück mit dabei ist und auch vieles von der alten Tradition beeinflußt wurde, die Harald früher mit Ashra Tempel gemacht hat. Steve hat bekanntlich auch schon mit Manuel Göttsching zusammengearbeitet und da hier viele von diesen Elementen auftauchen hat "4x3" dann auch nicht viel mit Sunya Beat zu tun.
Schellackgeschrei: Ihr spielt zum dritten Mal auf dem Herzberg Festival und habt dieses Mal keine neue CD mit im Gepäck. Die letzte Veröffentlichung von euch war eben diese "4x3 ". Gibt es eine Umorientierung dieses Projektes oder warum gab es sonst diese Auszeit von zwei Jahren?
Harald: Wir sind keine marketingorientierte Band sondern wir machen einfach permanent Musik und haben auch schon in den verschiedensten Richtungen etwas unternommen. Dieses "4x3"-Album ist dann schon etwas anderes gewesen und deswegen haben wir diese Sunya Beat Tradition auch nicht unbedingt weiterverfolgt. Aber wir arbeiten daran. Es ist nicht so, daß das kein Thema mehr ist oder daß wir uns sagen, alle zwei Jahre unbedingt eine Platte herausbringen zu müssen. Es kann sein, daß es drei Jahre dauert oder daß wir in einem Jahr zwei Platten auf den Markt bringen. Wir haben jeder unsere ei genen Baustellen und sind so auch nicht immer an Sunya Beat dran. Jeder hat so seine Geschichten. Ich habe nebenbei auch mit einem Soloprojekt angefangen und somit ist auch, ehe man sich versieht, ruckzuck die Zeit vorbei.
Schellackgeschrei: Ist Sunya Beat nun eine Band oder doch mehr als Institution mit Projektcharakterzu sehen?
Axel: In dieser Foren finde ich schon, daß wir eine Band sind, auch wenn wir ab und zu auch unter unterschiedlichen Namen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten auftauchen. Die Chemie unter uns stimmt einfach und mit dieser Freundschaft ist einfach sehr angenehm, zusammen Musik zu machen. Es macht Spaß, miteinander zu spielen, unabhängig von diesen ganzen Marketingstrategien.
Harald: Ich habe Axel und Steve ungefähr zeitgleich 1996 kennengelernt. Ich hörte, daß es in Mönchengladbach, wo ich zu dieser Zeit wohnte, ein Studio mit Leuten gibt, welche von mir schon gehört hatten und mich gerne kennenlernen wollten. Ich habe leider einige Zeit verstreichen lassen, rief dann aber doch an und bekam gleich den Steve an die Strippe. Ich hatte hier gleich von Anfang an ein gutes Gefühl. Ich war dann doch erstaunt, als ich später dorthin kam, daß dieses Technolabel, in welchem Steve mit involviert war, einfach nur super gute Musik machte. Wir habe sofort angefangen zu arbeiten, unser Projekt Holo Syndrom entwickelt und verschiedene andere Projekte zusammen gemacht. Dann hatte sich Axel angeboten, auf meiner Soloplatte, die ich zu dieser Zeit geplant hatte, mitzuspielen und so ist schließlich das erste Sunya Beat-Album entstanden.
Axel: Das Erste, was in dieser Richtung Sunya Beat passiert ist, war, daß ich gerade die Aufnahmen zu meiner jetzt erschienenen "Fishmoon" CD machte und Harald einige Sachen davon vorgespielte. Ich legte gerade das Stück "Sky Unlimited" an, welches dann auch das erste Stück auf dem Sunya Beat Album werden sollte. Das war sozusagen die erste Sunya Beat-Aktion, die wir zusammen durchgezogen haben. Harald hatte gerade die Idee mit seiner Solo-CD und ich konnte ihn in diese Richtung mit diesen ambienten Sounds und akustischen Trommeln lenken.
Harald: Nach und nach ist das dann so zusammengewachsen. Steve und ich hatten nebenbei mit N-Tribe noch ein Vinyl-Only-Projekt und machten einen Live-Gig in Düsseldorf. Wir fragten Axel, ob er nicht Lust hätte, hier mitzuspielen und so war Axel irgendwie in N-Tribe involviert. Dann machten wir wieder eine Sunya Beat Nummer, bei welcher Steve mitmachte und so ist das, ohne daß es vorher geplant war, irgendwie zusammengewachsen.
Axel: Nebenbei mache ich ja auch noch diese Phonoroid-Sache, wo Harald auch wieder mit dabei ist.


Schellackgeschrei: Wie entwickelt ihr eure Musik. Steht zuerst ein Sample, ein Rhythmus oder eine Melodie?
Axel: Das erste Album war noch sehr akustisch orientiert. Das hatte viel mit Haralds Trommeln und seinen Patterns zu tun, die ich dann versucht habe, mit Sounds und Melodien zu gestalten und in Form zu bringen. Bei der zweiten CD war dann Steve mit dabei und da gab es schon diese Kooperation, diesen Austausch mit Loops und Samples. Harald und ich geben dem Steve live auch immer einen Freiraum, seine Entwicklungen hier einzubringen, die er in sich selbst generiert und in welche wir dann einsteigen. Das ist zum Austausch auch sehr wichtig, denn es wäre viel verschenkt, wenn Steve nur Illustrator unserer Ideen wäre. Er ist dann auch immer ein gleichberechtigter, kreativer Kopf.
Schellackgeschrei: Also basiert Sunya Beat auf einer gleichberechtigten Wechselwirkung aller hier beteiligten Musiker?
Axel: Ja, auf jeden Fall. Bei unserem Gig heute hatte Steve ein paar wunderbare Ambient-Sachen gemacht, welche wir aufgegriffen haben. Ich hatte diese Jazzelemente integriert, ein paar Miles DavisStücke einfließen lassen und bei Harald, der gerade an seinem Solo Album arbeitet, entstehen auch neue Impulse, die dann bei uns auch spürbar sind.
Steve: Für mich ist es bei Sunya Beat in erster Linie Klasse, daß ich ein Fundament legen kann und ich finde es auch toll, in einer Konstellation zu spielen, wo keiner in der Band ist, der irgend etwas beweisen muß. Man merkt, daß hier gleichberechtigt gearbeitet wird. Axel und ich haben, obwohl wir aus unterschiedlichen Lagern kommen, den gleichen Sinn für Musik. Ich maß zugeben, daß ich auch, ganz klassisch, in einer Schüler band angefangen habe, dann aber merkte, daß das nichts ist, womit ich mich verwirklichen konnte. Es ist überhaupt nicht meine Qualität, mich als reiner Keyboardspieler berufen zu fühlen. Bei diesem Gig heute habe ich Keyboard im klassischen Sinn eigentlich auch gar nicht mehr gespielt sondern fast nur gemixt oder Loops abgefeuert. Und weiterhin komme ich auch ganz klar aus dem Dancelager.
Axel: Es ist eigentlich nicht so einfach, sich selbst zu definieren, denn man ist ja eigentlich durch die Öffentlichkeit definiert. Meine Zeit bei Wolf Maahn, als ich Deutschrock gemacht habe, hat mich in dieser Beziehung auch ganz klar definiert. Aber meine ursprünglichen Anfänge liegen eigentlich ganz woanders. Ich hatte damals mit diesen ganzen Hippiebands wie Grateful Dead zu tun. Aber auch mit Ragamusik, Spacerock und Jazz, wie beispielsweise Miles Davis und Don Cherry. Bei letzterem hatte ich Unterricht und da bekam ich dann auch diesen Link zu Steve Nillage, weil Don ja auch Musik mit Steve Nillage gemacht hat. Diese ganze Spaceecke ist etwas, womit ich vehement groß geworden bin. Das ist auch das, was ich selbst immer betrieben habe. Aber durch die ganzen Verwirrungen, in denen man auch Kompromisse eingehen maßte, passieren dann ganz andere Dinge.
Schellackgeschrei: Das druckt sich dann auch dahingehend aus, daß sich ehemalige Spacerocker wie eben Steve Nillage, aber auch Robert Fripp, heute mehr mit einem mit dem Techno in Verbindung zu bringenden Stil beschäftigen. Bei manchen wird gerade das als Verrat an den alten 'Werten' gewertet, bei anderen als Versuch, aus einer vorprogrammierten Stagnation auszubrechen.
Axel: Auf keinen Fall hat das etwas mit Stagnation zu tun. Es ist genau das, wie es mir eigentlich auch geht, eine Art Wiedererkennung, daß man ein Zerrbild einer vergangenen Zeit mit einem neuen musikalischen Verständnis heute noch einmal wieder erlebt. Jeder Mensch lebt in seiner Zeit und wird mit bestimmten Dingen groß und diese tauchen dann auch immer wieder auf. Dafür steht man.


Schellackgeschrei: Aber die Meisten kommen mit diesen sich auch in der Rockmusik verbreitenden Tendenzen in Richtung Techno nicht klar.
Harald: Da müßte erst einmal klargestellt werden, wer denn `die Meisten' sind. Das mit diesem `Techno' ist schließlich auch eine ziemlich populäre Geschichte. Es gab auch innerhalb des Rock schon verschiedene Entwicklungsstufen und Tendenzen, die immer von irgend jemanden abgelehnt wurden. Und ich hoffe für mich, daß ich auch immer offen für ganz ganz neue Stile sein werde und seien sie noch so extrem. Ich sehe aber auch schon beim Techno eine gewisse Engstirnigkeit, eine Engstirnigkeit in der Benutzung der Mittel. Wenn da einer gerade nicht die `303' benutzt, dann identifizieren die das auch nicht mit Techno. Und wir machen in dieser Form auch keinen Techno. Es gibt starke Technoeinflüsse von Steve, der aber auch wieder offen genug für andere Strömungen ist. Ich persönlich habe mich in den 70ern von der Rockmusik verabschiedet. Denn straighte Rockmusik finde ich, ehrlich gesagt, absolut langweilig. Wir machen Musik und Charakterisieren
diese durch uns, weil wir auch nicht marketingmäßig eingestellt sind.
Axel: In dieser Beziehung sind wir auch Persönlichkeiten, die ziemlich schillernd sind, da wir alles das mögen, was gut ist. Und das geht dann von Klassik bis hin zum absoluten Kaschemmencountry.
Harald: Auch maßt du heute gehört haben, daß wir recht vielseitig sind, da wir sogar eine Jimi Hendrix Nummer anklickten oder gas Miles Davis in unsere Sounds eingearbeitet haben. Wir biegen da: letztendlich in diese Richtung, mit der wir uns identifizieren können.
Schellackgeschrei: Auf keinen Fall aber ist Sunya Beat Rock'n Roll?!
Harald: Der Begriff Rock'n Roll hat etwas sehr antiquiertes und in dieser Form würde ich den heute auch nicht mehr benutzen.
Axel: Auch hat das etwas mit einem Lebensgefühl zu tun, welche: wir heute nicht mehr so repräsentieren.
Harald: Als ich sechzehn war, da war der Rock'n Roll am abkacken. Ich fand auch Elvis nicht mehr besonders gut. Ich stand schon mehr auf solche Sachen wie Cream, Pink Floyd sowie diesen ganzen psychedelischen Kram. Dann habe ich den Schritt zu diesen Berliner Schule-Geschichten gemacht. Das war Anfang der 70er. Von da an war ich solchen Sachen, die irgendwie diesen Retro-Anstrich hatten., auch ziemlich kritisch gegenüber eingestellt. In den 80ern waren beispielsweise die Stray Cats solch ein Fall.


Schellackgeschrei: Obwohl die zu ihre Zeit doch mächtig gehypt wurden und sie auch gerade in den 80ern recht deplaziert waren.
Axel: Ehrlich gesagt war diese Band auch viel besser als der Hype, der um sie gemacht wurde.
Harald: Aber weitaus interessanter fand ich dann schon die Residents. Oder Robert Fripp.
Axel: Früher hätte man auch gesagt, daß wir Avantgarde-Rock machen. Das würde ich heute nicht mehr so sagen. Diese Definition ist dann doch mehr aus dem Blickwinkel der 70er und 80er entstanden.
Harald: Ich glaube, daß wir alle noch von dem Hit träumen. Ich habe immer noch im Hinterkopf, einmal einen Knaller zu machen, der auch richtig populär ist. Aber möglicherweise habe ich in mir zu viele Widersprüche. Auf der einen Seite möchte ich einen gewissen Anspruch bewahren und gleichzeitig möchte ich auch unterhalten.
Axel: Was ich gut finde, das ist der geschmackvolle Riff, der auch in sich ein gutes Bild abgibt und die Leute gut draufbringt, ohne das sie dabei blöd aussehen. Und das ist auch der Unterschied zum Rock'n Roll. Der Rock'n Roll ist letztendlich doch mehr nur Rudiment. Gewiß ist er ein Bestandteil unserer Musik, das möchte ich nicht bestreiten und das möchte ich auch so nicht negativieren.
Harald: Ich wußte jetzt nicht auf Anhieb, wer so etwas wie wir macht.
Axel: Ich glaube schon, daß viele Musiker sich damit beschäftigen, Elemente, wie wir sie verwenden, in dieser Form auch in ihre Musik mit einfließen lassen.
Harald: In den 70em haben wir einen wahnsinnigen Widerstand gegen diese elektronische Musik erlebt. Keiner wollte wissen oder wußte beispielsweise, was ein Sequencer ist. `Der Spiegel' hatte einen Artikel über Tangerine Dream geschrieben, der im Endeffekt sehr gut für die Band war, aber trotzdem als totaler Verriß ausartete. Im englischen `New Musical Express' gab es einen Artikel über `Muzak from Germany' in Verbindung mit `SA-Kolonnen im Stechschritt durchs Brandenburger Tor'. In solche Zusammenhänge hatte man das gebracht. Die ganzen Musikzeitschriften sind negativ über uns hergezogen. Nur im Ausland und speziell in Frankreich war unsere `Sternenmusik' ein Begriff und kam auch dementsprechend gut an. Die Franzosen haben ohnehin so eine spezielle psychedelische Ader. Dort hatten wir immer relativ viel Erfolg gehabt. In Deutschland wurde das, was wir früher gemacht haben, erst mit der Techno Welle vor fünf/sechs Jahren akzeptiert. Die ganzen neuzeitlichen Technoacts beziehen sich auf unsere Musik und die Presse entdeckt das jetzt endlich auch. Aber dieser ganze 68er-Kern findet uns wahrscheinlich auch heute noch scheiße. Diese `Althippies' können das alles nicht vertragen. Alles, was nach Woodstock kam, ist denen suspekt. Da sind viele kleben geblieben.

Schellackgeschrei: Aber die bedeutende elektronische Musik kommt schon seit jeher aus Deutschland. Sowohl in den 70ern und auch
heute mit der sogenannten 'minimal Elektronik' und Acts wie Kreidler oder Mouse On Mars. Woran liegt es, daß die elektronische Musik doch immer mehr an Bedeutung gewinnt?
Axel: Das hat mit der Digitalisierung zu tun. Diese greift jede Art von alter Musik auf und durchlebt diese noch einmal. Der Mensch ist unwahrscheinlich damit beschäftigt, dieses Zeug, mit dem er sich in der Hauptsache kreativ und produktiv auseinandersetzt, auch in der Musik noch einmal zu durchleben. Ich glaube, in der Elektronisierung der Musik verarbeitet man seine Umwelt.
Harald: Möglicherweise haben wir damals diese Zeitströmung, diesen Zeitgeist, irgendwie aufgegriffen, haben diese Synthesizer sofort, als sie auf den Markt kamen, okkupiert und eingebaut, wo die meisten Musiker vielleicht gerade einmal bei der Hammond-Orgel angekommen waren. Möglicherweise haben wir da auch etwas ausgedrückt, was für diese Zeit noch zu früh war. Kraftwerk waren dann die ersten, die es geschafft haben, das so zu reduzieren, den sogenannten Zeitgeist so auf den Punkt zu bringen, daß sie weltweit diese Anerkennung bekommen haben.
Axel: Und heute ist man ja eigentlich auch viel weiter. Heute redet man nicht mehr über elektronische Instrumente, man benutzt sie einfach. Es wird nichts mehr hinterfragt. Als man damals elektronische Instrumente verwendete, war das mit Veränderung gleichzusetzen, war man Vorreiter für irgendwas. Damit steht Harald. Und Steve gehört wieder einer ganz anderen Generation an. Und das trifft hier, bei uns, aufeinander und ergänzt sich.
Harald: Beispielsweise hat Klaus Schulze seine Musik wie ein Priester in einer Kirche zelebriert. Er hatte seine vier Kästen, die er wie einen Altar ums sich herum angeordnet hatte. Und dieser Altar aus elektronischem Equipment symbolisierte eine Art Gottheit, die angeblich alles kann. Das ist das Gleiche, wie das, was mit dem Computer heute passiert. Man hat überhaupt keine Ahnung und ist der Meinung, `wenn ich das Ding habe, dann kann ich alles'.
Steve: Heute hat dieser ganze Kram seine mystische Aura verloren. Für mich war schon sehr früh klar, was ich machen wollte. Aber das war einfach unerreichbar. Und heute bekommt man für einen Bruchteil an finanzieller Aufwendung ein komplettes Studio.
Axel: Bei mir ist es etwas ganz anderes. Die Gitarren, die ich früher haben wollte, die konnte ich mir damals nicht leisten. Aber dann kaufte ich mir eine Gitarre, die sah aus wie ein Museumsstück, hat damals auch nicht so besonders viel gekostet und die ist heute gleich zehnmal so teuer. Und man konnte noch nicht einmal richtig darauf spielen.
Schellackgeschrei: Nun möchte ich Stichpunkte liefern, zu denen ihr euch äußern könnt. Jimi Hendrix' "Starspangled Banner" und eure heutige doch ziemlich schräge Version unserer Nationalhymne?
Axel: Wir ließen ja heute auch "Voodoo Chile" von Jimi Hendrix mit einfließen, andererseits ist dies das Festival `Hippies against racism' und deswegen war das eine Art Link.


Schellackgeschrei: Ashra Tempel?
Harald: Ashra Tempel war für mich eine sehr sehr wichtige Zeit und eine sehr sehr große Inspiration. Dann gab es für mich einen großen Bruch und ich hatte eigentlich das Gefühl, daß ich mit dieser Berliner Geschichte abgeschlossen habe. Schließlich gab es 1997 dieses Revival und da war mir schon klar, daß ich diesen alten Kram in der Form nicht noch einmal machen wollte und habe Steve, den ich da schon kannte, gebeten, mit in die Band zu kommen. Das hat Ashra, aus meiner Sicht, noch einmal ein Stück nach vorn gebracht. Wie es hiermit weiter geht, das steht in den Sternen. Im Moment ist das nicht so ein Thema für mich.
Schellackgeschrei: Sideprojekte?
Steve: Jede Menge, manchmal zu viel. Ich bin mittlerweile so drauf, daß ich mir sage, daß ich mich irgendwie darauf konzentrieren möchte. Aber das Leben ist zu kurz, um sich hiermit irgendwie festzulegen und mir machen so viele Dinge Spaß, daß ich mich auch nicht limitieren möchte. Natürlich ist es manchmal schwer, in etliche Baustellen Energie zu stecken, aber ich möchte einfach viel machen.
Harald: Ich glaube, es wird nicht mehr lange dauern, bis Steve seinen ersten Hit am Start hat. Er hat eine Ader, in dieser Beziehung den Nerv zu treffen. Das wird auch ganz natürlich passieren. Bei mir besteht das Problem, daß ich überhaupt nichts hinbekomme, weil ich einfach zu viele Ideen habe. Ich merke, wenn ich mit Steve zusammenarbeite, dann ist ruckzuck das Tape voll. Es ist eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit.
Schellackgeschrei: Das Soloalbum?
Harald: Ich habe auch mittlerweile ein Studio und da habe ich ein paar Sachen angefangen, von denen Steve meinte, ich sollte daraus eine Soloplatte machen.
Steve: Es war einfach so, daß eine Soloplatte von Harald schon lange überfällig ist, finde ich Wir haben uns einfach so zum lockeren Musikmachen getroffen und Harald brachte die Sachen, die er im Studio gemacht hatte, dazu mit und ich fand diese auch sehr gut. Das war einfach Harald. Ich habe mich dann angeboten, diese auf den Punkt zu bringen. Und ein Soloalbum von ihm ist deswegen schon längst überfällig, weil er, im Gegensatz zu vielen seiner ehemaligen Kollegen, musikalisch such nie den Anschluß vergaßt hat. Wir haben jetzt schon einige Stücke fertig und denken, daß sich einige hierbei noch wundern werden
Schellackgeschrei Und wo wird dieses Album stilistisch liegen?
Harald: Ja, dazu bräuchte man erst einmal den Überblick, wenn es fertig ist. Beispielsweise wird darauf ein Stück sein, in dieser Art hat noch keiner Musik gemacht. Und zwar habe ich hier alle Sounds und Geräusche mit dem Mund erzeugt. Aber wenn du das hörst, dann denkst du in kernstet Weise, daß hier alles mit dem Mund gemacht wurde.
Steve: Ich war in dieser Beziehung sehr skeptisch und Harald läuft dieser `Idee auch schon sieben Jahre hinterher und ich dachte mir, ob das denn so funktionieren würde. Aber irgendwann haben wir angefangen und es klappte auch ziemlich gut.
Harald: Ich glaube, daß das ein Schritt in eine neue Richtung sein wird und gleichzeitig auch an mein geliebtes erstes Album "Synthesist" erinnert.
Schellackgeschrei: Axel, "Fishmoon" wurde schon 1995/1996 eingespielt und produziert. Warum erscheint das Album erst jetzt, fünf .fahre später?
Axel: Ich habe damals für ein anderes Label gearbeitet und die haben mich mit verschiedenen Projekten unheimlich hängen lassen. Dann kam der Kontakt mit Kalle Becker zustande, für welchen ich später auch eine Reihe von Sachen produzierte. Ihm gefiel die "Fishmoon" ziemlich gut, aber es gab nie den richtigen Zeitpunkt, das Album zu veröffentlichen, weil es natürlich andere Prioritäten, wie eben auch Sunya Beat, gab. Nebenbei habe ich im letzten Jahr eine CD mit einem alten Inder mit Namen Naga aufgenommen, der inzwischen leider verstorben ist. Diese wird dann in der nächsten Zeit veröffentlicht.
Schellackgeschrei: Trotzdem müssen auf "Fishmoon " auch einige neuere Stücke enthalten sein, alldieweil auch Steve einige Samples und Beats dazusteuerte
Axel: Diese kam aus dem großen Sunya Beat-Pool.
Schellackgeschrei: "Fishmoon" klingt sehr amerikanisch. Bist du dahingehend geprägt?
Axel: Ja, das ist eine Bilderwelt, die mich schon von jeher angesprochen hat. Das sind diese Wüsten, wo ich gewisse Seelenzustände von mit als Bild gesehen habe. Mit dieser Weite und Minimalistik, was Slide-Gitarren dann auch gut ausdrücken können, kann ich mich identifizieren.
Schellackgeschrei: Gerade deswegen wirkt "Fishmoon" auch entfernt wie der Soundtrack zu" Deadman ".
Axel: Ja, mit Sicherheit. Es kommen jetzt auch Anfragen aus Amerika für Soundtracks, weil ich Musik etwas anders verarbeite und stilistisch auch kein reinrassiger Amerikaner bin.
Schellackgeschrei: Was hat bei dir Priorität? Deine musikalische Karriere oder Harald Schmidt, bei dem du bekanntlich auch Gitarre spielst?
Axel: Ich hoffe, daß ich mit meiner Musik, zu welcher eben auch Sunya Beat und Phonoroid dazugehört, einfach mehr bewege. Ich spiele auch sehr gerne live. Harald Schmidt ist im Prinzip indirekt ein Förderer meiner Musik, weil ich mir quasi erlauben kann, meine Sachen im Studio ausgiebig zu produzieren. Es ist ein guter Job und auch ein angenehmes Klima.
Schellackgeschrei: Durch Stefan Raab wird Harald Schmidts Late Night irgendwie parallelisiert. Läuft man hierbei als Musiker nicht
Gefahr, in einen Topf geworfen zu werden?
Axel: Nein, ich denke nicht. Denn mein Job bei Harald Schmidt ist es, Gitarre zu spielen. Und auch meine ich, daß unsere Band aus Einzelpersönlichkeiten besteht und auch so gewollt ist. Bei Stefan Raab ist es wirklich nur die Band von Stefan Raab, die total auf ihn zugeschnitten ist, weil er damit irgend etwas repräsentieren muß. Bei uns ist das alles freier und das finde ich auch angenehmer, weil uns das auch entspricht.
Schellackgeschrei: Habt ihr noch irgend etwas, was hier nicht gesagt wurde, loszuwerden?
Axel: Ja, nichts ist größer als die Freundschaft, und die haben wir.

Text & Interview: Clusna